Straker and Foster

                                             

 

 Das Serum

 

Commander Straker blickte auf, als sich die Tür des Behandlungszimmers öffnete und Colonel Foster herauskam. Der Colonel rollte den Ärmel seines Pullovers vorsichtig über das kleine Pflaster und setzte sich neben Straker.

 

„Commander, ich soll ausrichten, Dr. Jackson braucht noch zwei Minuten, dann sind Sie dran. Das H1N2-Serum ist wohl wieder nicht in der angeforderten Menge gekommen und er hat noch eine einzige Ampulle für heute, die ist für Sie.“

 

„Dr. Jackson? Ich dachte, Dr. Shroeder hat heute Dienst? Hmm, nein danke, ich muß noch einen Bericht lesen. Ich lasse dem Nächsten den Vortritt und komme noch einmal wieder. Paul, wenn Sie dem Doc bitte ausrichten, daß er mich für morgen auf die Impfliste setzen soll? Ich sehe Sie morgen früh im Büro.“

 

Straker beeilte sich, aus der Praxis zu kommen. Jeder, nur nicht Dr. Jackson, hätte ihm heute noch über den Weg laufen dürfen. Seit der zweifelhaften Sache mit dem Stresstest vor einigen Monaten hegte er eine heftige Antipathie gegenüber dem Arzt und er beschränkte den Kontakt auf das Nötigste. Seit der schlimmen Epidemie der Virusgrippe, die seit einigen Tagen halb London lahmlegte, waren die Impfungen für die SHADO-Mitarbeiter zwar zur sofortigen Pflicht geworden, aber das Labor von Dr. Jackson schaffte es offensichtlich nicht so schnell, genug Seren auf einmal herzustellen und es war es ihm allemal lieber, sich am nächsten Morgen bei Dr. Shroeder zu melden.

 

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Paul Foster

Paul Foster kam unter der Dusche hervor, griff nach einem Handtuch und warf entnervt die leere Shampooflasche auf den Boden.

 

„Verflucht, wenn man es mal eilig hat... Shirley, ist das Frühstück fertig?“

 

Seine Freundin zog erstaunt die Augenbraue hoch. Solch eine schlechte Laune am frühen Morgen hatte sie bei ihm selten erlebt.

 

„Stets zu Diensten, mein Gebieter“, entgegnete sie schnippisch, „wenn er sich gleich an den Tisch setzen und den Kaffee trinken möchte, bringt sie ihm sogar noch die Zeitung!“

 

Paul sah sie scharf an, sagte aber nichts. Er fuhr damit fort, sich abzutrocknen und strubbelte sich dann durch die kurzen braunen Haare. Sie blieb in der Tür stehen ihre Augen trafen sich für einen Moment. Paul schaute weg und begann, sich anzuziehen und schließlich die Jacke seines magentafarbenen Blazers zuzuknöpfen.

 

Shirley ging seufzend in die Küche zurück und goß ihm eine Tasse Kaffee ein.

 

„Darling, wenn du mich gleich bis zum Filmstudio mitnehmen könntest, dann ....“

 

Sie hörte die Tür ins Schloß fallen und seine harten Schritte auf den Marmorstufen der Flurtreppe.

 

„... hätte ich nachher ein Taxi nach Hause nehmen können!“ brachte sie kopfschüttelnd den Satz selbst zu Ende. Welche Laus ihm wohl über die Leber gelaufen war? Sie nahm seine Tasse, trank den Kaffee aus und verließ dann selbst die Wohnung.

 

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  Foster warf wütend den Auslesestreifen auf Lt. Fords Schreibtisch zurück.

 

„Das nennen Sie eine korrekte Analyse? Das ist doch wohl nicht Ihr Ernst, oder? Ich verlange, daß Sie mir in der nächsten halben Stunde eine fundierte Auswertung über die Ergebnisse der letzten Interceptor-Flüge vorlegen, oder ich werde dem Commander Bericht darüber erstatten, wie ungenügend die Qualität Ihrer Arbeit in letzter Zeit ist!“

 

Foster drehte sich auf dem Absatz um. Seine blauen Augen funkelten vor Wut und er strich sich fahrig über die Stirn. Schon seit er heute früh aufgewacht war, plagten ihn hämmernde Kopfschmerzen, die es ihm schwermachten, einen klaren Gedanken zu fassen. Er ging hinüber zu seinem Schreibtisch, um ein paar Aspirin zu holen, als der Commander aus seinem Büro schaute und Paul zu sich hereinwinkte.

 

„Auch das noch,“ murmelte Foster und folgte Straker mißmutig in dessen Büro, wo es sich bereits Colonel Freeman bequem gemacht hatte.

 

„Was gibt’s, Commander? Ich habe eigentlich keine Zeit, lange Reden zu halten, ich will noch... “

 

In Straker's office

Straker blieb direkt vor Foster stehen und schaute ihn mit seinen eisblauen Augen an.

 

„Colonel Foster, als erstes: Ich habe gerade mitbekommen, wie Sie Lt. Ford abgekanzelt haben. Denken Sie nicht, daß Sie sich im Ton vergriffen haben?“

 

„Nein, das denke ich nicht, Ed, Ford arbeitet einfach schlampig in der letzten Zeit. Und Sie wollen mir jetzt erzählen, ich soll ihn mit Samthandschuhen anpacken?“

 

Als hätte er Fosters Antwort gar nicht gehört, fuhr Straker fort: „Und zweitens ist es bei uns üblich, im Dienst die formelle Anrede mit dem Dienstgrad zu wählen, schon vergessen, Colonel?“

 

Foster verdrehte die Augen.

 

„Ja.“

 

„Ja – was?“

 

„Ja... Sir!“

 

„Und wir werden es auch erst einmal dabei belassen, Colonel. Ich weiß zwar nicht, warum Sie heute dermaßen neben der Spur sind, aber ich denke, ein bißchen Abstand tut Ihnen gut.“

 

Er langte auf seinen Schreibtisch und zog eine handschriftliche Notiz heran.

 

„Der Regisseur vom neuen Film „Nightmare“ hat vorhin angerufen, daß ihm am Filmetat etwas nicht gefällt. Gehen Sie zu ihm und klären das, bevor dieser Thompson wieder die halbe Filmcrew aufbringt.“

 

Foster verzog unwillig die Mundwinkel, verkniff sich jedoch jeden Kommentar. Er nahm den Zettel aus Strakers Hand, deutete einen militärischen Gruß an und verließ wortlos das Büro.

 

„Was war das denn, Ed? Was ist mit Foster los? Ich dachte, ihr versteht euch so gut?“

 

„Dachte ich auch, Alec, dachte ich auch“, murmelte der Commander, als er in die Zigarillokiste griff und sich eines herausnahm. „Gestern nachmittag beim Doc war er noch völlig normal.“

 

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Foster stieg aus dem Studiobuggy und blieb für einen Moment am Außenset stehen. Er suchte Thompson und fand ihn schließlich mitten in seiner Filmcrew. Er winkte hinüber und der Regisseur beeilte sich, vor der nächsten Szene zu Foster zu kommen.

 

„Ah, Mr. Foster, ich will mit Ihnen sprechen. Lassen Sie uns nach hinten gehen, da stören wir die Aufnahmen nicht.“

 

Er geleitete Foster über einige schmale Wege in den hinteren Teil des Geländes.

 

„Nun also, was wollen Sie mit mir besprechen, Thompson? Sie wissen, daß ich als Studiochef jede Menge zu tun habe.“

 

„Gewiß, Mr. Foster, aber dieser Film hier... das geht so wirklich nicht. Sie können nicht erwarten, daß ich mit Ihrem niedrigen Budget einen hochkarätigen Film herzaubere. Uns fehlt es an den einfachsten Mitteln, Kostümbildnern, Bühnenbildern, technischer Ausstattung und nicht zuletzt an erstklassigen Schauspielern. Ich verlange eine Erhöhung des Etats!“

 

„Na, dann fehlt es dem Film ab jetzt auch an einem drittklassigen Regisseur“, fauchte Foster und schlug Thompson seine Faust ins Gesicht. Völlig überrascht von dem unerwarteten Angriff verlor der Regisseur sein Gleichgewicht. Wie ein tollwütiges Tier stürzte sich Foster auf ihn und traf ihn noch zweimal am Kinn, bevor Thompson bewußtlos liegenblieb. Foster stand auf, klopfte sich den Staub von der Kleidung und machte sich auf den Rückweg.

 

Als er am Verwaltungsgebäude ausgestiegen war und gerade durch den Haupteingang trat, kam ihm Shirley mit einer Freundin entgegen.

 

„Hi Paul. Ich hole gerade meine Freundin zum Lunch ab, möchtest du uns nicht begleiten?“ fragte ihn Shirley lächelnd.

 

„Keine Zeit, vielleicht ein anderes Mal“, murmelte Foster und ging an den Frauen vorbei, ohne stehenzubleiben.

 

„Ups, was ist mit deinem Freund los?“ fragte Shirleys Freundin. „Hast du gesehen, daß er an den Knöcheln seiner rechten Hand verletzt ist?“

 

„Nein und ganz ehrlich: ich habe keine Ahnung, was er hat. Gestern abend war noch alles in bester Ordnung, aber seit heute morgen ist er wie ausgewechselt. Er hat sich nicht mal von mir verabschiedet, als er zum Büro fuhr.“

 

 

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Zwei Stunden später kehrte auch Ed von einer Besichtigung auf dem Filmgelände zurück. Seufzend schaute er auf seinen schmutzigen Anzug und betrat sein Büro. Miss Ealand hatte ihn schon erwartet. Sie wirkte aufgeregt.

 

„Sir, es ist gut, daß Sie zurück sind! Im HQ scheint etwas nicht zu stimmen, ich hatte vorhin Colonel Freeman am Telefon und wir wurden mitten im Gespräch plötzlich unterbrochen. Es war ungewöhnlich laut im Hintergrund und ich hatte den Eindruck, daß jemand im Headquarters den Colonel wohl daran hindern wollte, mit mir zu sprechen.“

 

Der Commander schaute seine Sekretärin erstaunt an. Sie kannten sich schon viele Jahre und er wußte, daß er ihren Instinkten vertrauen konnte.

 

„Okay, Miss Eland, informieren Sie unser Sicherheitsteam und ordern es in die Zentrale. Ich fahre nach unten und sehe nach, was dort los ist!“

 

Ed betrat sein Büro, tauschte seine Kleidung gegen einen der sauberen Anzüge, die er stets in Reserve im Schrank hängen hatte und setzte den Lift in Gang. Drei Stockwerke tiefer öffnete sich die Bürotür und Ed glaubte, seinen Augen nicht trauen zu können. Direkt vor seinem Büro war eine lautstarke Auseinandersetzung zwischen Ayshea und Keith Ford im Gange, wenige Schritte weiter stritten sich zwei andere Mitarbeiter um eine Bandsicherung, die sie sich wechselseitig aus den Händen rissen und an der Überwachungskonsole waren Capt. Sullivan und sein direkter Mitarbeiter in ein hitziges Wortgefecht geraten.

 

Der Commander wollte in einem ersten Impuls dazwischengehen, dachte dann aber daran, daß er zuerst seinen Freund Alec finden wollte. Er durchquerte schnell den Raum, betrat den nächsten und konnte kaum fassen, was sich dort abspielte: vor ihm hatte sich ein Kreis aus johlenden Mitarbeitern um Freeman und Foster geschart, die sich wie zwei Boxer umrundeten. Die beiden Kampfhähne waren mit Messern bewaffnet und belauerten sich, jeder darauf aus, den ersten Stich zu setzen.

 

„Alec, Paul... seid ihr völlig übergeschnappt?! Sofort die Messer weg, oder wollt ihr vors Kriegsgericht?“

 

Alec schaute irritiert auf, als er Strakers Stimme erkannte. Das hätte er besser nicht getan, denn Paul nutzte die Unaufmerksamkeit seines Kontrahenten aus und trat ihm das Messer aus der Hand. Freeman jaulte auf und hielt sich seine Hand, während Foster mit erhobenem Messer auf ihn zukam.

 

„Jetzt bist du dran, Mister Alec-Freeman-ich-bin-hier-die-Nummer-zwei! Nun ist Schluß mit ‚in zehn Jahren werden Sie vielleicht einmal so weit sein, an das Kommando von SHADO zu denken!’, Colonel“, höhnte Foster und holte mit dem Messer aus. Zu einer weiteren Aktion kam er allerdings nicht mehr, denn Straker hatte ihm kurzerhand ein Klemmbrett von der Konsole von hinten über den Kopf gezogen und ihn ins Land der Träume geschickt.

 

Der Commander richtete sich auf und wollte nun endlich für Ordnung sorgen, als er plötzlich vom wutschnaubenden Freeman angesprungen und zu Boden gerungen wurde. Blitzschnell hatte der Colonel ihn an der Kehle gepackt und drückte unbarmherzig zu. Straker verstand die Welt nicht mehr – was zum Henker ging hier vor? Er versuchte, Alecs Daumen von seinem Hals wegzubiegen, aber Freeman verfügte über wesentlich mehr Kraft als sein Commander und seine Finger blieben wie Schraubstöcke um seine Kehle gespannt. Straker röchelte, bunte Lichter flackerten vor seinen Augen und er hörte sein Blut in den Ohren rauschen. Er nahm die Anfeuerungen der anderen Mitarbeiter nur noch aus der Ferne wahr und seine Abwehr erlahmte.

 

Ed Straker

Plötzlich hörte er einen Knall, der Griff um seinen Hals lockerte sich und er bekam wieder Luft. Nach Atem ringend rollte sich der Commander auf den Rücken und sah vor sich Dr. Shroeder und Dr. Jackson stehen, im Schlepptau das SHADO-Securityteam. Aber das Erstaunlichste war Miss Ealand, die in ihrer erhobenen Hand einen kleinen Revolver hielt, mit dem sie auf die Decke zielte und dabei so wütend aussah, wie er sie noch niemals gesehen hatte.

 

Dr. Shroeder beugte sich zu ihm hinunter, griff ihm unter die Arme und zog ihn hoch.

 

„Commander, da sind wir aber wohl gerade richtig gekommen, denke ich. Danke, Miss Ealand, ich glaube, unsere Securities haben jetzt alles hier im Griff, Sie können Ihre Schreckschußpistole wieder runternehmen.“

 

Strakers Sekretärin schaute ihren Chef zweifelnd an, aber als er nickte, steckte sie ihren Revolver in ihre Handtasche zurück und ging zum Fahrstuhl. Dr. Jackson hatte sich indessen den am Boden liegenden Foster angesehen und machte ein bedenkliches Gesicht.

 

„Commander, ich fürchte, daß Sie eine Weile auf Ihren Colonel werden verzichten müssen, den hat jemand so richtig ausgeknockt.“

 

„Jackson, der Jemand war ich und mir ist völlig egal, ob er nun einen brummenden Schädel hat oder nicht, denn er hätte Freeman fast umgebracht! Was ist hier nur passiert, die Leute sind alle wie die Furien aufeinander losgegangen...“, und mit einem Blick auf seine zerrissene Jacke fügte er leise hinzu: „...und ich muß mich wohl noch ein weiteres Mal heute umziehen.“

 

Währenddessen hatte das Medicalteam der beiden Ärzte mit Hilfe der Guards angefangen, die sich wehrenden Mitarbeiter einzusammeln und ihnen Spritzen mit einer gelblichen Flüssigkeit zu verpassen.

 

„Commander, Sie werden es nicht für möglich halten, aber unser Antigrippe-Serum ist vertauscht und durch ein anderes ersetzt worden, welches extrem aggressiv macht und leider auch über 72 Stunden anhält, wenn man kein Gegenmittel gibt. Ein Mitarbeiter aus meinem Team ist der Übeltäter, vielleicht erinnern Sie sich noch an die junge Frau, die vor zwei Monaten bei einer UFO-Attacke entführt wurde und später durch Ihren Befehl in dem UFO abgeschossen wurde? Dr. Laszlo Burnic ist ihr Bruder. Und offensichtlich wollte er sich an den SHADO-Mitarbeitern für ihren Tod rächen.“

 

Straker hatte die oberen zwei Jackenknöpfe geöffnet und atmete noch immer ein wenig mühsam.

 

„Burnic? Das Mädchen hieß doch Verena Zoltan, wenn ich mich recht erinnere....“

 

„Ja richtig, sie war verheiratet, daher der andere Nachname,“ erklärte Dr. Jackson in seinem typisch schleppenden Tonfall, während er die Nadel aus Freemans Arm zog und der sich mit blassem Gesicht gegen die Wand lehnte. „Colonel, atmen Sie ruhig weiter, es wird Ihnen sofort besser gehen.“

 

Freeman holte ein paar Mal tief Luft und man sah ihm an, daß er sich schnell wieder erholte und offensichtlich auch wieder wußte, was passiert war und wo er sich befand.

 

„Ed, ich weiß nicht, was in mich gefahren ist, das von vorhin ist nicht zu entschuldigen. Daß ich dich angegriffen habe ... ich kann es selbst nicht verstehen... natürlich wirst du Meldung bei der IAC machen und ich werde mich vor dem Militärgericht verantworten.“

 

„Alec, nun mal langsam, ich werde weder Meldung über dich oder andere machen noch irgendein Militärgericht einberufen lassen. Denkst du, ich will alle meine leitenden Offiziere vor Gericht stellen??? Laß dir von Dr. Jackson erklären, warum ihr wie die Irren übereinander hergefallen seid.“

 

Freeman schaute ihn halb erstaunt, halb erleichtert an und nickte.

 

Dr. Shroeder trat nun zu den beiden und meinte mit einem Lächeln: „Commander, normalerweise würde ich ja jetzt mahnend auf Ihren versäumten Impftermin heute hinweisen, aber ich diesem Fall muß ich feststellen, daß Sie ihn glücklicherweise verpaßt haben!“

 

                                                                 Geschichten (Deutsch) 

 

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